Gertrud Schneider und ihr Team boten Nachtwanderung
Den geheimnisvollen Rauhnächten künstlerisch auf den Grund gegangen
Überlieferungen aus der Vergangenheit haben ihre Anziehungskraft nicht verloren
Frauental. Die Rauhnächte – oder auch Raunächte – sind mythenumrankt wie kaum eine andere Zeit im Jahresverlauf. Die Tage zwischen Weihnachten und Heilig Drei König gelten auch heute noch vielen Menschen als magisch und geheimnisumwittert. Nicht nur abergläubische Menschen sind fasziniert von den Überlieferungen aus der Vergangenheit. Seit einigen Jahren geht man in Frauental dem Mythos Rauhnächte künstlerisch auf den Grund. Dazu nehmen Gertrud Schneider und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter auch in diesem Winter ihre Besucher mit auf eine Wanderung rund ums ehemalige Zisterzienserinnenkloster und in die dunkle Nacht, kleiner Gruselfaktor inklusive. In diesem Jahr hat Gertrud Schneider die Veranstaltungen unter das Motto „Das Flüstern der Stille“ gestellt.
An der Zahl der Besucher kann man das Interesse an dem Thema am besten ablesen. Deutlich mehr Menschen als angemeldet waren, versammeln sich im ehemaligen Kloster, um von dort in die dunkle Nacht zu starten. Doch zuvor bringt Gertrud Schneider ihren Zuhörern die rätselhafte Zeit der Rauhnächte näher, stimmt sie ein auf die dann folgende Reise durch die Dunkelheit. Der Überlieferung nach waren in jenen Tagen zwischen Weihnachten und dem 6. Januar die bösen Geister unterwegs, der heulende Wind schien vom wilden Heer zu künden, das Unheil bringend durch die Nacht ritt. Wer in diesen Tagen Wäscheleinen aufhing, riskierte, dass sich die bösen Geister darin verfingen. Weiße Wäsche hätte gestohlen werden und später als Leichentücher eine makabre Verwendung finden können. Frauen und Kinder durften nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr draußen unterwegs sein.
Weihrauch gegen die bösen Geister
Gegen die Schreckgestalten sollte Weihrauch helfen. Daher womöglich auch der ursprüngliche Name „Rauchnächte“. Auch heute gibt es Menschen, die ihre Wohnungen „räuchern“, um sie zu reinigen. Negatives aus dem abgelaufenen Jahr soll vertrieben werden und gute Energie ins Haus einziehen.
Die Zeit zwischen den Jahren sollte aber auch dazu dienen, Groll und Hass loszulassen, Menschen zu verzeihen, um unbelastet ins neue Jahr zu gehen. Auch alte Schulden sollten beglichen werden, wie Gertrud Schneider ausführte. In manchen Regionen gab es die „Wolfsnächte“, weil damals der Hunger die Wölfe in die Dörfer trieb, um das Vieh zu reißen.
Es haben sich von Region zu Region ganz unterschiedliche Bräuche entwickelt, mancherorts heißen die Rauchnächte auch „Glöckelnächte“, einem Einkehrbrauch entstammend. Auch das Verbrennen von Wünschen wird heute noch praktiziert – insgesamt 13 Wünsche notiert man sich auf Zetteln, die man dann faltet. Zwölf Zettel werden des Nachts verbrannt und damit dem Universum anvertraut, der 13. Wunsch wird dagegen nicht verbrannt, sondern diesen versucht man, selbst umzusetzen.
Heutzutage gibt es viel Literatur zum Thema Rauhnächte. „Die Geschäftswelt hat das Thema entdeckt“, meinte Gertrud Schneider. Sie selbst hat sich intensiv mit den Rauhnächten beschäftigt und stellt die „staade Zeit“ seit sieben Jahren in den Mittelpunkt ihrer Wanderungen in Frauental, wo sie dem Museumsverein angehört und durch das Museum im ehemaligen Zisterzienserinnenkloster führt. Eine engagierte Schar von Mitwirkenden setzt Gertrud Schneiders Texte um und versetzt die Zuschauer in längst vergangene Zeiten.
„Das Flüstern der Stille“ als Motto hat Gertrud Schneider ganz bewusst gewählt in einer Zeit des Lärms und der Hektik. Und was wäre besser geeignet als Startpunkt als das Kloster Frauental, in dem die Nonnen einst ein Schweigegelübde abgelegt hatten?
Nonnen waren strengen Regeln unterworfen
In Nonnentracht kamen Gertraud Kreiselmeier, Manuela Horcher und Karin Hetzner von der Nonnenempore aus in die Oberkirche geschritten, unter den Orgelklängen von Ernst Preininger. Die Stille und das Schweigen prägten das Leben der Frauen, die sich bedingungslosen Regeln unterwerfen mussten – dafür aber unter dem Schutz der Klostermauern standen. Nach einem Lied der Nonnen ging es mit dem „Begleiter der suchenden Seelen“ (David Roßteutscher) in die Nacht, zunächst an die Steinach, wo die Gruppe auf eine verwunschene Nixe (Sandra Dankelmann) stieß, die ihnen ihr Leid klagte. Danach ging es durchs Dorf, wo man auf Frau Holle (Erika Herbst) und den Geist aus der Dunkelheit (Oliver Kade) traf. Auf einem Feldweg ging es dann ein Stück weit in die Landschaft, wo zunächst die Hexe (Beate von Helmst) ihre Verführungskünste unter Beweis stellte. Sonderbare Geräusche (verursacht von Tobias Kreiselmeier, Beate von Helmst und Sandra Dankelmann) begleiteten die Teilnehmer auf ihrem weiteren Weg, auf dem sie auch dem guten Waldgeist (Gerald Herbst) begegneten, mit dem sie zusammen gegen das Gruseln anstampften.
Nachtwächter hatten einen schweren Stand
An einer Weggabelung hatten drei Hirten (Wolfgang Willig, Peter Martin und Roswitha Herbst) Stellung bezogen, bevor die Gruppe im weiteren Verlauf auf die Räucherstation traf, wo man mit Hilfe von Amelie Kade und Helmut Kreiselmeier den Weihrauch einatmen konnte.
Den Stern suchten die Dreikönige Simon Preiss, Ben Kade und Oliver Kade. Dann traf die Gruppe schon wieder an der Klosterkirche ein, wo sie vom Nachtwächter (Hans-Georg Baumgärtner) empfangen wurde, der über den schweren Stand berichtete, den seine Zunft im Mittelalter hatte.
Zum Abschluss versammelten sich die Teilnehmenden in der Unterkirche zu einer von Gertrud Schneider geleiteten Sternen-Meditation. Das gemeinsam gesungene Lied „Amen“, begleitet von Ernst Preininger an der Orgel, sorgte für einen schwungvollen Abschluss der mystischen Nacht.
Helmut Kreiselmeier, Vorsitzender des Museumsvereins Kloster Frauental, würdigte abschließend das Engagement von Gertrud Schneider, die die Texte schrieb und Regie führte. Auch den Mitwirkenden vor und hinter den Kulissen galt sein Dank.
© Arno Boas / Fränkische Nachrichten
Fotos: Tobias Kreiselmeier / Museumsverein Frauental e.V.